»Magie kann verstanden werden als ein ritualisierter und instrumenteller Zugriff auf übernatürliche Kräfte, die bestimmten Gegenständen oder Handlungen zugeschrieben werden. Zu offiziellen oder individuellen Zwecken der Schadensabwehr, Schadensstiftung, Unheilvermeidung oder Wunschverwirklichung werden Mittel oder Handlungen eingesetzt, von denen man sich eine entsprechende Wirkung erwartet. Das Ausüben magischer Praktiken setzt überlieferte Kenntnisse und besondere Fäöhigkeiten voraus, über die in der Regel nur Eingeweihte verfügen. (S. 354) [...] In der jüngeren Forschung zur Magie besteht weitgehend Einigkeit, dass nicht so einfach zwischen Magie und Religion unterschieden werden kann, ebenso wenig, wie Magie und Wissenschaft sich klar voneinander abgrenzen lassen. (S. 355)«
Literaturverzeichnis zu Nano- und Gentechnik
Texte von Friedhelm Schneidewind, die in der Druckfassung keinen Platz mehr fanden
© 2011 Friedhelm Schneidewind
Auch in der Neuzeit waren Aberglaube und Magie verbreite, wobei es natürlich schwer ist, zu definieren, was Aberglaube ist. Vieles, was früher als Lehrmeinung oder herrschender Glaube, ja sogar als anerkanntes Wissen galt, wird später als Aberglaube betrachtet, dies ist heute nicht anders, man denke an Alchemie, Okkultismus oder Spiritismus. Manche magischen Praktiken sind allerdings heute auch in unserer Zivilisation verbreitet, wie Astrologie, Nummerologie oder Weissagung. Auch eine umgekehrte Bewegung ist zu beobachten, die zunehmende Anerkennung nicht (natur-)wissenschaftlicher Praktiken, etwa in der Esoterik- oder New-Age-Bewegung, in der alternativen Medizin, im Glauben an Schutzengel, Dämonen oder den Teufel. An den glaubt allerdings auch der Papst ….
Aberglaube bedeutet übersetzt »Widerglaube«, »Gegenglaube«. Was in einer bestimmten Gesellschaft als Aberglaube betrachtet wird, hängt natürlich vom Glauben der herrschenden Mehrheit ab; deshalb hat man zeitweise lieber den Begriff Volksglaube verwandt, der aber viel mehr umfasst. »Wenn man an das Richtige oder den Richtigen glaubt, nennt man das Glauben – ansonsten Aberglauben. Und vieles von diesem ›Aberglauben‹ ist im Leben der Gegenwart noch präsent«, so Hans Meurer in seinem Buch »Der dunkle Mythos« (Schliengen 1996).
Frühe Beispiele für die unterschiedliche Sichtweise finden sich im Buch »Katholische Zauberei und Volksaberglaube« aus dem Jahre 1585 des Heidelberger Professors Hermann Wittekind (1524 – 1603), der auch gegen Hexenverbrennungen wetterte: »Dieses miß-brauchs/aberglaubens/teuffelswirckung ist die pfaffenschafft in Pabstumb voll gewesen – und derhalben auch bey dem gemeinen Mann im schwang gangen: und noch bey uns Euvangelischen viel darvon uberig ist. Was war in der Messe das fuernembste anders – dann der zauberische segen – da der Pfaff – die fuenff Wort oder acht syllaben – ›Hoc est enim corpus meum‹, ubers brot sprach – hauchete darauff – machet mit dem kin drey kreutz darueber – meint damit wuerd auß dem brot der leib Christi. Gleicher weiß verwandelt er den Wein im kelch ins blut Christi – so doch den worten und syllaben solch vermoegen nicht geben ist. Banneten den heiligen Geist ins tauffwasser – ins weihewasser – ins saltz – ins oele – ins wachs – in kreuter – in stein – in holtz – in erdboden – wann sie kirchen – altar – kirchhoefe weiheten: segneten fladen – Fleisch – eyer etc. Weiheten am Osterabend auch das feuwer – daß keinen schaden thete: so ich doch – leider – erlebt hab – daß fuenff tage darnach unser flecke in grund verbrannte. Deß feuwers Natur ist vnd bleibt – wanns verwarloßt wirdt – so machts brunst. Taufften vnd heiligten die glocken – gaben ihnen damit die krafft – daß sie durch jren Klang die boesen geister verjagten – die ungewitter stilleten – verhinderten daß sie keinen schaden theten / so weit der Klang gehoeret ward. Ja wol – ich habs gesehen – daß bey mir – in unserem kirchlein der donner den Gloeckner in dem er leutet erschlug – lag todt – hatt das seil noch in der hand. Wer kans alle erzelen was sie deß gauckelwercks und betrugs getriben haben. Wan ein Beuwerin ein krancke kuh hatte – kam der Pfarherr mit seinem rochet oder Chorrock und breuijr – gieng in stall – lase uber die kuh – besprengt sie mit weihwasser – machet kreutz darueber – gab jr geweihet Saltz ein. Ob sie davon gesund ward – weiß ich nicht. Bey dem gemeinen mann ward deßgleichen aberglaubens und mißbrauchs kein zal. Blutet einem die nase zuviel – oder war einer verwund – so stillet mann das blut mit heiligen worten – vom stechen und Blutfluß unsers Herren am kreutze. Hatte einer sonst etwan einen schaden am leib – so nam ein alt weib einen kreutzpfenning oder gulden – bestreiche den schaden damit – mummelt etliche woerter darzu – das halff dann wie man meinte. Ein edelfraw – mir nicht unbekannt – ließ jrem mann ein ring machen – darinn inwendig dise Wort auß dem Evangelisten gegraben waren – Os non cominuetis ex eo, das ist – Jr solt jm kein bein zerbrechen. Der ring behuetet jren mann – daß er nie kein bein zerbrach wie wol er offt gefehrlich mit seim gaul fiele. Wann einer den anfang 5. Johanns Evangelien geschriben am halß trug – so thet jhm kein boeser geist nicht: war frey fuer der fallenden seuche – fuerm donnerschlag vnd anderm ubel. Arme leute hiengen jhren Kindern in eim tuechlein ein bißlein Brot an halß – wie sie noch bey uns thun. Die andern segner und beschwerer koennen schwerter und waffen also bezaubern und zurichten – daß sie nicht schneiden – stechen – oder sonst verwunden – wie jr natur vnd eigenschafft ist: koennen auff schwertschneiden tantzen mit blossen fuessen on verletzung: beschweren anderer bogen vnd buechsen daß sie fehlen – segnen die jre daß sie treffen: davon auch zuvor gesagt. Jo. St. ein pfaffe und berhuembter Astronomus hatte ein gesegnets kraut – wann er das an ein schloß hielte – so gieng es auff – darzu es Gott nicht hatt wachsen lassen – hatte solche krafft auch vom segen nit. Der Teuffel war dabey – der zohe die schloesser auff. Etliche koennen mit beschweren die meuß und ratzen auß den heusern zusammen locken – dz sie jnen heuffig nachlauffen – wie die fercklein der saw. Fuehren sie hinauß ins wasser vnd erseuffen sie. Ob es aber rechte meuß seyn oder ein gespenst – dz mogen die erfahrn und wissen die solche gesellen darzu mieten – ob sie darmit weniger meuß nachmals in jren heusern spueren dann zuvor. Diß alles – und was deß mehr ist – streitet wid Gottes ordnung – welche ist die natur.«
So mancher Theologe hielt (und hält) die Transsubstantiationslehre der katholischen Kirche für Aberglaube, und Martin Luther bezeichnete viele der der katholischen Kirche heiligen oder gesegneten Dinge als »Teufelssakramente«: »Weihwasser soll Sünde tilgen, es soll Teufel austreiben, soll den Poltergeistern wehren, soll die Kindbetterin schirmen, wie uns der Papst lehret… So soll Weihsalz auch tun. Agnus Dei, vom Papst geweihet, soll mehr tun, als Gott selber zu tun vermag… Glocken sollen die Teufel im Wetter verjagen. Autonii Messer stechen den Teufel. Die gesegneten Kräuter treiben die giftigen Würmer weg. Etliche Segen heilen die Kühe, wehren den Milchdieben, löschen Feuer. Etliche Briefe machen sicher im Kriege und auch sonst wider Eisen, Feuer, Wasser, Tiere etc. Möncherei, Messe und desgleichen sollen mehr denn gemeine Seligkeit geben. Und wer kanns alles herzählen? Ist doch keine Not so geringe gewesen, der Teufel hat ein Sakrament oder Heiltum drauf gestiftet, dadurch man Rat und Hilfe finde.«
Noch heute werden in vielen Religionen Außenstehenden als Aberglaube erscheinende Glaubenssätze gelehrt, etwa in der Katholischen Kirche der Glaube an die personale Existenz des Teufels oder an die Jungfrauengeburt. Dass Aberglaube auch außerhalb der Religionsgemeinschaften verbreitet ist, belegt der Blick in die Presse, wo die Astrologie fröhliche Urständ feiert. Am 11. März 2000 konnte man in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« lesen: »Angeblich leben wir in überaus aufgeklärten Zeiten: Nüchternheit ist gefragt, ›Sachzwänge‹ werden immer wichtiger. Sakrale Traditionen treten in den Hintergrund, religiöse Aura verliert an Bedeutung. Stimmt das wirklich? Jeder Blick in die Boulevard-, gar die Regenbogenpresse belehrt eines Besseren, belegt verblüffendes Interesse an den Irrungen und Wirrungen der Fürstenhäuser. Blut kann gar nicht blau genug sein. Doch auch sonst stößt man immer noch auf Rituale, die quasimetaphysische Bedeutsamkeit suggerieren, die zumindest weit über die Ebene der Alltagsentscheidungen hinausweisen.«
Den Ursprung der Alchemie vermuten manche im alten Ägypten, wo man bereits 3000 v. Chr. Gold aus der Erde gewann; sie leiten das Wort vom ägyptischen khem (»schwarz«) ab, das auch für den nährenden Nilschlamm benutzt wurde. Andere vermuten als Wortstamm das griechische chyma (Metallguss). Spätestens im Mittelalter wurde auf jeden Fall die Alchemie/Alchimie zur geheimen »Schwarze Kunst«, die sich noch lange neben der Naturwissenschaft behaupten konnte. Die Verwandlung unedler Metalle in Gold (Transmutation) und die Suche nach der Unsterblichkeit – von Leib und/oder Seele – galten als ihre edelsten Ziele. Aber auch mit der »einfachen« Verjüngung oder der Erschaffung eines künstlichen Menschen gab man sich zufrieden. Noch Paracelsus behauptete, er könne einen Menschen künstlich erzeugen. Zu den wichtigsten Werkzeugen und Zielen zugleich in der Alchemie gehörten der Stein der Weisen und das Elixier des Lebens.
Die überlieferten Rezepte für die Herstellung des Steins der Weisen, lateinisch »lapis philosophorum« oder »lapis philosophicum«, zeigen, wie sehr die Alchemie schon naturwissenschaftlich orientiert war. Schon Zosimos von Panopolis beschrieb ihn im 3. Jhdt. n. Chr. in Alexan¬dria. Aus-gangspunkt ist immer die »materia prima«, genannt auch materia lapidis, materia cruda, materia proxima oder Jungfernerde, die genaue Art oder Zusammensetzung ist das Geheimnis eines jeden Alchemisten, die Erlangung des Steines wird in alten Quellen oft »Magisterium« genannt. Nach den meisten Quellen erfolgt die Herstellung in sieben Stufen: Zunächst wird die »materia prima« in »Merkurialwasser« verflüssigt (Solution oder Liquefaktion). Diese Lösung wird in »venter equinum«, im »Bauch der Erde«, vergraben, schwärzt sich dabei und verfault (Putrefaktion), dann hellt sich die Schwärze wieder auf. Der durch Verdunstung verlorengegangene Geist muss wieder zurückgegeben werden, indem die Substanz mit »lacta philosophica« (philosophischer Milch) genährt wird (Reduktion). Die Materie wird gelb, dann rot (»wütet als roter Drache gegen sich selbst«), bis sie sich »in Blut verwandelt«. Damit ist die Reduktion geglückt. Nun muss durch Koagulation oder Fixation der Geist wieder feste Form annehmen, dabei entsteht der Stein der Weisen oder lapis philosophorum. Diese 7 Stufen werden so z.B. bei Paracelsus beschrieben, andere Alchemisten kommen mit 4 Schritten aus. Im »Großen vollständigen Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste« von J. H. Zedler werden die 7 Stufen 1742 wie folgt bezeichnet: »Calcination, Verkalchung; Sublimatio, Erhöhung; Solutio, Auflösung; Putrefactio, Fäulung; Destillatio, Zertriefung; Coagulatio, Gerinnung; Tinctura, An¬strich«. Manchmal setzt man den Stein der Weisen auch mit dem Gral gleich, der ja auch Steinesform annehmen kann.
Es gibt eine philosophische Denkrichtung und zugleich aktive Bewegung, die die Veränderung der Menschheit durch den Einsatz technologischer Verfahren befürwortet, teilweise sogar als ethische Verpflichtung ansieht und fordert und daher die Beschränkung oder Kontrolle von Wissenschaft und Technik in weiten Teilen ablehnt: den »Transhumanismus«. Sein Ziel ist, die Grenzen menschlicher Möglichkeiten zu erweitern und dadurch die Lebensumstände der Menschen zu verbessern.
Die Entwicklung der Menschheit wurde seit Jahrtausenden weniger von der biologischen Evolution bestimmt als von der kulturellen Evolution. Transhumanisten fordern eine zielbewusste Steuerung der menschlichen Evolution in jeder Hinsicht, auch in biologischer, dazu gehört die Erweiterung der intellektuellen, psychischen und physischen Kapazitäten des Menschen unter Einsatz von u.a. Gen- und Biotechnologie, Nanotechnologie, Biostasis-Verfahren wie der Kryonik (»Einfrieren«), Kognitions- und Informationswissenschaften und -technologien wie Künstliche Intelligenz und »Mindloading« (»Hochladen«, »Uploading« des Bewusstseins in digitale Speicher).
Die Vorstellung, dass der Mensch zu verbessern sei und sich über sein Niveau hinaus entwickeln könne, wenn nicht müsse, ist uralt und taucht in vielen Zusammenhängen auf, vom Gilgamesch-Epos über die Alchimie bis zum Satanismus bei Lord Byron, bei E.T.A. Hoffmann und im »Frankenstein« von Mary Shelley. Und seit Friedrich Nietzsche gegen Ende des 19. Jahrhunderts seinen Zarathustra den Übermenschen verkünden ließ, wimmelt es in der spekulativen Literatur von Supermenschen aller Art. Frühe Formen transhumanistischer Eingriffe beschreibt schon 1932 Aldous Huxley in »Schöne neue Welt«: beispielsweise werden zukünftige Astronauten schon in der künstlichen Gebärmutter auf das »Kopfstehen« konditioniert. Für die physische Anpassung des Menschen an Planeten, die er kolonisieren will/soll, hat der Science-Fiction-Autor James Blish in den 1950er Jahren den Ausdruck pantropy geprägt, als Gegenstück zum terraforming, der Anpassung fremder Planeten an irdische Verhältnisse bzw. menschliche Bedürfnisse.
Der Begriff Transhumanismus findet sich dann erstmals 1957 im Buch »New Bottles for New Wine« des Biologen und ersten Generaldirektors der UNESCO Julian Huxley, des älteren Bruders von Aldous Huxley. Er definiert einen Transhumanisten als einen »Mensch[en], der Mensch bleibt, aber sich selbst überwindet durch Verwirklichung neuer Möglichkeiten seiner und für seine menschliche Natur«. Aufgegriffen wurde der Begriff vom Erfinder der »Bedürfnispyramide«, dem »Vater der Humanistischen Psychologie« Abraham Maslow in »Toward a Psychology of Being« (1962). In den frühen 1980er Jahren bildete sich an der Universität von Kalifornien in Los Angeles die transhumanistische Bewegung. Ziel ist das Arbeiten in Richtung eines posthumanen Zustandes, unter Respektierung von Vernunft und Wissenschaft, mit Anerkennung des Wertes der menschlichen Existenz und Verpflichtung zum Fortschritt und zu radikalen Änderungen in Natur und Möglichkeiten des menschlichen Lebens durch wissenschaftliche und technologische Disziplinen.
Vernunft, Wissenschaft und Technologie sind zur Armutsbekämpfung, der Befreiung von Krankheiten, von Behinderungen, von Unterernährung und von Repression anzuwenden. Viele Transhumanisten wollen gesundheitlich gleiche Chancen auch durch Eliminierung genetisch bedingter Krankheiten erreichen. Der Mensch müsse sich um Fortschritt und Verbesserung der Lebensqualität der Menschheit bemühen, und daher müsse die ungerichtete Evolution überwunden werden, so dass zufällige Mutationen durch rationale, moralische und ethische, aber vor allem durch kontrollierte und zielgerichtete Änderung ersetzt werden könnten. Damit ist die Diskussion um Eugenik, »lebensunwertes Leben« usw. in vollem Gange.
Manche Kritiker des Transhumanismus argumentieren, die Technologien zum Erreichen der Ziele könnten nie so leistungsfähig sein wie nötig. Andere sehen Gefahren in der geplante Reduzierung des menschlichen Genpools und den somit verminderten Reaktions- und Variations-möglichkeiten, oder in ungeplanten gravierenden Nebenwirkungen von Eingriffen in den menschlichen Körper, das Erbgut oder den Geist. Vor allem aber werden ethisch-moralische Vorwürfe erhoben. Francis Fukuyama etwa kritisiert, transhumanistische Veränderungen würden die menschlichen Gleichheit zerstören (die es nach Ansicht der meisten Transhumanisten heute keineswegs gibt), für ihn sind »[t]he world’s most dangerous ideas: transhumanism« (in: Foreign Policy, Sept./Okt. 2004). Häufig wird die Subjektivität vermeintlicher »Verbesserungen« ausgesuchter Leistungsmerkmale kritisiert. Viele der gegenüber transhumanistischen Ideen vorgebrachten Kritikpunkte beziehen sich auf soziale und ökonomische Aspekte, auf die Gefahr einer falschen Auslese, einer Zwei- oder Mehrklassengesellschaft.
Die Gefahr besteht, seitdem es kulturelle Evolution gibt, die ein »Aussteigen« aus bzw. ein Überwinden der biologischen sexuellen Selektion ermöglicht; transhumanistische Aktivitäten dürften die Gefahr aber verstärken: »Die Möglichkeiten und Grenzen, sich ›attraktiver‹ zu machen, hängen indes nicht unwesentlich von den materiellen Umständen ab. Bis heute gelten sichtbar gemachter Reichtum und gesellschaftliche Stellung in vielen Gegenden der Welt als erkennbarer Garant für erfolgreiche Fortpflanzung: Je mehr Nahrung, Sicherheit und Bildung Eltern ihren Kindern geben können, desto eher kommt der Nachwuchs durch und kann sich weiter vermehren – unabhängig von der ›Qualität‹ seiner Erbanlagen. Kulturelle Erbschaft in Form von Gütern oder Macht übertrumpft biologische in Gestalt von Genen. Damit haben sich die Menschen, seit sie tradierte Hierarchien und Eigentum kennen, vom rein darwinistischen Überleben des Tüchtigsten verabschiedet. Nachteile bei den Genen wurden durch Vorteile bei den Dukaten mehr als wettgemacht. Soziale Schichten entstehen, werden undurchlässig, beste Paarungen verhindert. Stoff für tausendundein Drama. Die sexuelle Selektion ist zur sozialen geworden.« (Jürgen Neffe: Darwin. Das Abenteuer des Lebens. München: Bertelsmann, 2008. S. 69).
Als weitere Gefahr wird angeführt, dass durch Anpassung an veränderte Bedingungen kein Interesse mehr daran besteht, eventuell gefährliche Veränderungen in der Umwelt aufhalten zu wollen: Wozu die Klimakatastrophe aufhalten wollen, wenn wir uns an höhere Temperaturen oder sogar an das Unterwasserleben anpassen können? Das kann dann zu erheblichen sozialen Verwerfungen und Spannungen führen – wenn sich nur ein Teil der Bevölkerung solche Anpassungen leisten kann –, aber auch zu größeren Gefahren, wenn in der Folge auftretende gefährliche Veränderungen, beispielsweise im ökologischen oder klimatischen Bereich, nicht rechtzeitig bekämpft werden.
Es werden Forderungen laut, manche nennen es Bedingungen: Alle relevanten Veränderungen müssen freiwillig sein. Das schließt zumindest größere Veränderungen an der Keimbahn aus. Und freiwillig meint auch wirklich das: ohne sozialen oder ökonomischen Druck. Es darf keine Abhängigkeit von ökonomischen oder sozialen Verhältnissen geben, schon gar keine Zwei- oder Mehrklassengesellschaft. Das gilt zumindest für wichtige Anpassungen bzw. Veränderungen; wenn sich nur einige eine gentechnische Färbung der Haare leisten können, halten das viele für nicht wesentlich, wohl aber wenn es um sozial relevante Verbesserungen oder medizinische Eingriffe geht. Es darf auch keine Bewertung nach Art oder Menge der Eingriffe erfolgen, also ebenfalls eine Mehrklassengesellschaft oder, analog dem Rassismus, eine Art Genismus/Genanismus oder Nano-Technizismus (Nanismus? Nanogenismus?). Vor allem dürfen durch gentechnische Veränderungen der Genpool und damit die Variabilität der Menschheit nicht wesentlich eingeschränkt werden, dies wäre für die weitere Entwicklung und ihre Überlebensschancen zu gefährlich. Die Ökologie der menschlichen Lebensräume sollte nicht außer Acht gelassen werden und erhalten bleiben, trotz der Anpassungsfähigkeit der Menschen.
Aspekte des Transhumanismus finden sich in zahlreichen Superhelden- und Mutanten-Geschichten. Im Ur- und Vorbild, »Gladiator« (1930) von Philip Wylie, dem erklärten Vorbild für »Superman«, injiziert ein Wissenschaftler seiner schwangeren Frau ganz bewusst eine von ihm entwickelte Droge, die ihren Sohn außerordentlich stark, sehr intelligent und überschnell macht – eine transhumanistische Entscheidung, die beinahe zur Gründung einer Superrasse führt! Die Anzahl von Geschichten um Supermenschen und/oder Mutanten, die entweder mit der Menschheit in Konflikt geraten, sie weiterentwickeln oder ihr helfen, ist spätestens seit »Slan« (1940) von A.E. Van Vogt unüberschaubar, das beliebte Sujet des »verbesserten« Menschen ist schon unzählige Male verwendet worden, die Grenzen zu den unfreiwilligen Superhelden sind oft fließend, so etwa in den drei Mutantenfilmen um die »X-Men« (2000/2003/2006). Der Zusammenhang mit sozialer Auslese und Gentechnologie wird besonders deutlich in dem Film »Gattaca« (1997), der bisher vielleicht besten filmischen Umsetzung der Problematik der Genbestimmung und Vorherbestimmung.
Viele Aspekte des Transhumanismus sind übrigens längst schleichend in unser gesellschaftliches Bewusstsein und Handeln vorgedrungen, so die Vorstellung der »Verbesserung« des Menschen durch Prävention oder Ernährung. Auch die Problematiken sind, wenn auch (noch?) schwächer ausgeprägt als in manchen Theorien und Science-Fiction-Szenarien, schon die bekannten, etwa die der Verpflichtung der einzelnen Gesellschaftsmitglieder auf Gesundheit und Prävention zum »Wohle der Gesellschaft«. Man denke nur an den an eine Hexenjagd erinnernden Umgang mit rauchenden Menschen und die teilweise gravierende Diskriminierung von Menschen mit Übergewicht.
Auszüge (MP3, 33:56, 13,6 MB) der Druckfassung (PDF, 660 KB), gelesen für die Radiosendung vom 11.04.2011 im Bermudafunk (ergänzt)
Auszüge zur Magie (MP3, 12:45, 5,1 MB), gelesen für die Radiosendung vom 11.04.2011 im Bermudafunk (ergänzt)
Der Mensch als Schöpfer seiner selbst: Nanotechnologie in der modernen Science Fiction
»Earth Rocks« Ausgabe 11 (Dezember 2009), Ried im Innkreis (Österreich) · Literatur-, Film- und Linkverzeichnis
Der Mensch als Schöpfer seiner selbst: Gentechnologie in der modernen Science Fiction
»Earth Rocks« Ausgabe 10 (September 2009), Ried im Innkreis (Österreich) · Literatur-, Film- und Linkverzeichnis
Zauberei und Magie (Meine Webseite zum Thema)
Zauberspruch und Zauberstab. Grundlagen der Magie in der Welt von Harry Potter (Elbenwald-Megalog 2006)
Nicht
jeden Tag ... – die Verantwortung der Wissenschaft (1989/92)
Auszüge (MP3, 2:07, 885 KB), gelesen für die Radiosendung vom 11.04.2011 im Bermudafunk
interessante kurze und lesenswerte Texte zu Magie und verwandten Themen:
Knepper, Claudia: Magie
EZW-Materialdienst 9/11, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, September 2011 – Berlin 2011
Hailer, Martin: Sind Magie und Christentum Gegensätze? Eine alte Polemik neu betrachtet
EZW-Materialdienst 8/11, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, August 2011 – Berlin 2011
Funkschmidt, Kai: Schamanismus und Neo-Schamanismus
EZW-Materialdienst 4/12, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, April 2012 – Berlin 2012
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